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Von der Idee zum Modell am Beispiel Stückgutfrachter im Trockendock (H0)

H

hannah

Guten Tag in die Runde,

im Laufe dieses Beitrages möchte ich meine Vorgehensweise im Modellbau en detail beschreiben. Von der Motivation, der daraus folgenden Idee, der erforderlichen Recherche über die Umsetzung zum Modell.

Motivation:
Als ich Anfang der Siebziger um 06:30 Uhr in der Früh den D-Zug in Hamburg-HBf verliess, hatte ich den halben Tag zu überbrücken, bevor ich um 17:00 Uhr mein Zimmer in Pinneberg beziehen konnte. Ein junger Hamburger, in Hannover zugestiegen, bot mir an, mir den Hafen zu zeigen und lud mich zum Mittagessen bei seiner Oma in Barmbeck ein. (Kassler mit Kartoffelstampf und Ananaskraut)

Diese kleine, private Hafenführung inklusiv Barkassenrundfahrt prägte mein Verhältnis zu Norddeutschland nachhaltig. Alte Speicherhäuser, gewaltige Docks und beeindruckende Schiffe, das ganze Flair, es war um mich geschehen: Nie wieder Schwarzwald.

Diese mächtige Erinnerung wollte ich auf meiner Anlage nachempfinden können. Hilfreich war, dass ich während meiner Pinneberger Zeit einen Elblotsen zum besten Nachbarn hatte und im Rahmen meiner Berufstätigkeit drei mittelständische Werften in Schleswig-Holstein kennenlernen durfte.

Idee:
Darstellung eines für die fünfziger Jahre typischen Frachtschiffes, das zur Repartur im Trockendock liegt. Für das Ensemble standen 1.200 x 300 mm an der hinteren Anlagenkante zur Verfügung. Im Vordergrund sollte ja Eisenbahn gezeigt werden.

Recherche:
Damalige Stückgutfrachter unterscheiden sich von heutigen bei den Aufbauten. Das Schiffshaus mit Unterkünften, Messe und Brücke liegt Mittschiffs. Im Hinter- und Vorderschiff befinden sich die Frachträume nebst zugehörigen Ladevorrichtungen: Ladebaum (älter), Schiffskran (moderner).
Als Studienobjekt diente das Museumsschiff Cap San Diego im Hamburger Hafen liegend. Dessen Nachbau kam nicht in Frage, der Kahn ist 159 Meter lang und 21 Meter breit: In 1:87 Lüa=1.800 mm, B=241 mm. Seine maßstäblich genaue Abbildung für sich wäre schon ein Jahresprojekt gewesen, etwas zu viel für ein Ausstattungsdetail der Anlage.

Docks gibt es als Schwimm-, oder Trockendock. Bei beiden Formen werden die Schiffe mittels Kimm- und Kielpallen gestüzt, bzw. gesichert.

Gewappnet mit meinen Erinnerungen an frühere Werftbesuche und der Fülle an zusammengetragenen informationen ging ich dann ans Werk.

Umsetzung:
Für den Frachter legte ich L = 900 mm, B =140 mm fest, woraus sich für das Dock 1.100 x 180 mm ergaben. Die Dockwände, H = 40 mm, entstanden aus Sperrholz 4 mm, beklebt mit Wellkarton und grau lackiert. Aus Karton fertigte ich die Docktore, wenig detailliert mangels Vorlagen. Sehr mühsam war die Herstellung der 20 Kimmpallen aus Kartonstreifen 2 mm und 1 mm. Bei den Kielpallen begnügte ich mit je einer unter Bug und Heck; die restlichen wären eh nicht sichtbar gewesen.

Trockendock_Kimmpallen_steuerbord_25%.jpg

In fast originaltreuer Bauweise, Segmente, entstand der Frachter mit durchgehendem Kiel aus Kieferquadratstab 5 mm. Eine Herausforderung für sich war das Heck, das ich nach langem Grübeln aus Spanten und Gips formte, der Einfachheit halber und weil der Frachter ja nicht wirklich schwimmen musste.

Nachfolgend einige Eindrücke der Bauphasen:

Egon_Pasch_aktuelle_Baustufe_25%.jpg

Egon_Pasch_Mittelschiff_Laderaum_02_25%.jpg

Egon_Pasch_Unter_und_Zwischendeck_25%.jpg

Bis hier entstand alles aus Verpackungsmüll, von der Wellpappe abgesehen.

Größte Herausforderung war dann die Darstellung des Vorderschiffrohbaues. Nach etlichen Versuchen mit unterschiedlichen Materialien entschied ich mich für Karton als Werkstoff:

Egon_Pasch_Rohbau_Vorderschiff_Bug_25%.jpg

EgonPasch_Rohbau_Vorderschiff_von_achtern_25%.jpg

In der Ausführung sehr knifflig und mühsam, da die Teile in Sandwichbauweise mit Streben zusammengeklebt wurden. Für die Löcher stand ein Stanzwerkzeug 4 mm zur Verfügung.

Mit Kieferquadratstab 5 mm, Kieferrundstab 3 mm, MS-Draht und Zwirn gelang die Herstellung des Ladebaums auf dem Hinterschiff. In Karton ritzte ich die Bretteroptik der hinteren Laderaumabdeckungen und die Plankenoptik des Decks:

Egon_Pasch_Rettungsboot.jpg

Ebenfalls aus Gips formte ich die Rümpfe der Rettungsboote. Trinkhalme dienen als Lüfter und MS-Nieten als Bullaugen. An dieser Stelle muss ich anmerken, dass es Schiffsbauteile in passendem Maßstab kaum gibt und wenn zu horrenden Kosten. Ganz zu schweigen von einem Komplettbausatz in 1:87.

Nun, so entstand der "Pott" überwiegend aus Karton, selbst die Anker. Aus gelb isolierter Litze sind übrigens die Handläufe der Aufgänge.

Viel Mühe gab ich mir auch um das Schiffshaus in seinen Abmessungen plausibel zu gestalten:

Auswahl_020.jpg

So, das war's erstmal der Menge der Bilder wegen. Fortsetzung erfolgt als Antwort.
 

Anhänge

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H

hannah

Und - weiter geht's:

Anker und Schraube (Propeller) fertigte ich notgedrungen auch aus Karton. Gute 40,00 € allein für die beiden Teile waren mir einfach zu teuer.

Frachter_Heck.JPG

Ein Muß, finde ich, sind auch die kleinen Details wie Ahling und Freibordmarke, wobei Letztere leider nur vergrößert und somit nich maßstäblich realisiert werden konnte:

Egon_Pasch_Ahling_und_Freibordmarke_25%.jpg

Zur Sicherung der Decks entschied ich mich für Schanzkleider anstelle von Relingen, weil auf hoher See doch sicherer und eigentlich Standard.

Einfach war die Namensgebung. MS kennzeichnet das Vessel als Motorschiff, Egon Pasch ist ein Onkel meiner besten Freundin und war zu aktiven Zeiten "Kapitän auf großer Fahrt", später dann Lotse in der Deutschen Bucht. Die Informationen aus seinen zahlreichen Erzählungen und Erklärungen sind mehr wert, als Wikipedia und Brockhaus zusammen.

Zum guter Letzt noch Eindrücke:

Egon_Pasch_Abendstimmung_auf_der_Brücke.jpg
(Die Brücke mit Schaltschränken im Hintergrund und Navigationsgeräten an der Vorderseite)

Frachter_Brücke.JPG

Frachter_Gangway.JPG

Frachter_von_achtern.JPG

Frachter_Vorderschiff_im_Bau.JPG
(Die fahrbare Scherenbühne ist auch ein Karton-Eigenbau)

Wer jetzt noch Fragen zu meiner Art des Modellbaus hat darf sich gerne per Unterhaltung an mich wenden.

Ich hoffe Ihr hattet Spaß und grüße freundlich aus Tornesch

Hannah
 
H

hannah

Wie stellst du den typischen Geruch von Brackwasser dar?

...na mit Brackwasser aus dem Uetersener Stichhafen, oder vom Anleger der benachbarten Papierfabrik Stora Enso, früher Feldmühle, wo regelmäßig Binnenschiffe festmachen:

Auswahl_025.jpg
(Zu sehen auch der Ostbahnhof, Endstation der Strecke Uetersen-Tornesch, sowie der Gleisanschluß zur Feldmühle, ihrem Hauptkunden) (Lizenzfrei - open street map)

Bei Flut drückt die Elbe über die Pinnau ihr Wasser ordentlich ins Hafenbecken.

herzhaft lachende Grüße aus Tornesch

Hannah


Übrigens:
Sehenswert auch die Klappbrücke über die Pinnau.
Die gegenüber liegende Pharma-Fabrik NORDMARK betreibt ein Stückchen weiter unten in Moorrege Europas größte Schlangenfarm. (Giftschlangen natürlich)
 
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plusplus

Teammitglied
Super-Moderator
Sollte ich wieder mal in der Gegend sein (HH), könnte ich mich ja mal etwas nordwärts verschieben.

René

Zu "Übrigens":
Vor Giftschlangen habe ich mich noch nie gefürchtet - und bin auf meinen Reisen bis anhin weder eine Klapperschlange noch einer Puffotter noch einer Kobra begegnet. Höchstens in der Schweiz einer Jura- oder Alpenviper bzw. einer Kreuzotter.
 
H

hannah

könnte ich mich ja mal etwas nordwärts verschieben.

Quartier: Bei meinen Nachbarn gibt's bed & breakfast, (10 Min. vom Bahnhof zu Fuß, von da 20 Min. bis Hbf).
Bei Anreise mit dem Auto: Stellplatz bei mir privat.
Essen: "chez Hannah". :D

Im Tessin, Valle Maggia, begegnete mir beim Wandern im ausgetrockneten Flussbett die eine oder andere (Wasser?)-Schlange: Schön lang, schön schwarz. War so Ende 60-er.

Denke ich an "Betrieb in Epoche IIIb", müsste Dir die schmuddelige Industrie- und Hafen-Ecke in Uetersen eigentlich gefallen.

Liebe Grüße aus Tornesch

Hannah
 
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Bastler

Teammitglied
Super-Moderator
Hoi Hannah

Poste doch mal paar Fotos vom Binnenhafen und dem Gleisanschluss. Das waere jetzt wirklich was Interessantes.

Gruss Barni
 
H

hannah

Poste doch mal paar Fotos vom Binnenhafen und dem Gleisanschluss

Guten Morgen in die Runde, Hoi Barni,

hier erstmal der große Überblick aus der Vogelperspektive zur Orientierung und zum Zeitvertreib, bis ich die Aufnahmen im Kasten habe.

Momentan herrschen hier Sturm und Regen, gestern bestand die "Gefahr einer Sturmflut" (Deutscher Wetterdienst). Insgesamt keine Wetterlage, die photoshootings begünstigt.

Erstmal freundliche Grüße aus Tornesch

Hannah
 
H

hannah

Danke für dein Wow - Marko und herzlich willkommen!

Aus Freude am Modellbau freundliche Grüße aus Tornesch

Hannah
 

Ma.Will

Stellwerker
Hier meine schwimmenden Modelle...
38439811ir.jpg
38439814ip.jpg
38439824fm.jpg
38439825oe.jpg
38439826pa.jpg
 
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